Wir Europäer haben schon ein seltsames Verhältnis zur Zeit.
Meist hasten wir von einem Ort zum anderen, so als würden wir dadurch Zeit gewinnen können. Im Grunde sind wir ständig in Eile und egal, was wir gerade tun – wir wollen meist schnell damit fertig sein.
Ein Sprichwort, das verschiedenen nicht-westlichen Kulturen zugeschrieben wird, besagt:
„Die Europäer haben die Uhr. Wir haben die Zeit.“
Ich finde, da ist etwas Wahres dran.
Denn Zeit, für sich betrachtet, endet ja nicht mit dem Verstreichen eines unserer so definierten Tage.
Zeit, das sind die natürlichen Rhythmen, in denen wir uns bewegen. Der Wechsel der Jahreszeiten und der Lauf der Sonne sind es, die maßgeblich unser Leben bestimmen.
Zeit beschränkt sich nicht auf 24 Stunden – wohl aber unsere Uhren
Es ist gar nicht die Zeit, die uns unter den Händen zu verrinnen scheint. Es sind nur Minuten und Sekunden, die auf unseren Uhren vergehen und dort gnadenlos gezählt werden.
Und genau der Rhythmus dieses Zählens gibt unseren Leben neuerdings den Takt an.
Das hat auch an der ein oder anderen Stelle seinen Sinn.
Nur so können wir zum Beispiel Fahrpläne aufstellen und auch einhalten. Nur so können komplizierte Abläufe ineinander greifend gesteuert werden. Und auch Verabredungen zu treffen, wird um vieles einfacher.
Ein Problem mit der Zeit bekommen wir aber immer dann, wenn wir das Gefühl haben, für etwas nicht genug davon zu haben.
- Nicht genug Zeit, um auszuschlafen.
- Nicht genug Zeit, um pünktlich zu einer wichtigen Verabredung zu kommen.
- Nicht genug Zeit, um sowohl diese Aufgabe auf der Arbeit gut zu erledigen, als auch unsere familiären Verpflichtungen zu erfüllen.
Oder, wie in meinem speziellen Fall als nebenberufliche Autorin:
Nicht genug Zeit, um an meinem Manuskript zu arbeiten, jede Woche einen Blog-Artikel zu schreiben, meiner beruflichen Verpflichtung nachzugehen und meiner Familie gerecht zu werden ;-).
Warum Zeitdruck so anstrengend ist
Wenn also wichtige Aufgaben oder auch Menschen um die 24 Stunden unseres Tages konkurrieren, dann bekommen wir meist ein Gefühl von Druck.
Aber was steckt eigentlich hinter diesem Gefühl, nicht für alles genug Zeit zu haben?
Kennst du das Gefühl, wenn du bemerkst, dass dein Herzschlag sich angesichts von Zeitdruck beschleunigt? Wenn dein Blut schneller fließt und sich deine Wangen leicht röten? Du atmest dann schneller und wirst vielleicht sogar unkonzentriert, weil du dich gehetzt fühlst.
Nur schnell noch das erledigen, dann kannst du Feierabend machen und deine Kinder abholen, die schon auf dich warten. Nur schnell noch Mails checken, einen Anruf machen…
Oh je, schon wieder zu spät los!
Deine Kinder werden traurig sein, weil sie wieder als letzte aus der Kita abgeholt werden. Und dein Chef wird auch nicht davon begeistert sein, dass du den wichtigen Kunden erst morgen anrufen kannst…
Wenn Angst ins Spiel kommt
Genau das ist es, was dir den Druck macht.
Zwei dir wichtige Dinge stehen in Konkurrenz zueinander um deine kostbare Zeit. Und du hast Angst jemanden zu enttäuschen oder einer Sache nicht gerecht zu werden.
Es kann aber auch Angst vor negativen Konsequenzen für dich sein. Vielleicht hat dein Chef dich ja schon mehrfach angezählt, weil du etwas nicht rechtzeitig erledigt hast.
Wovor genau man Ängste hat, ist vollkommen individuell und von der Situation abhängig.
Es kann sogar sein, dass deine Angst total unbegründet ist. Das spielt aber keine Rolle für das, was jetzt folgt.
Dein Hirn unterscheidet nämlich nicht, ob du dir etwas nur vorstellst, oder ob es real ist. Es reagiert einfach nur auf deine Gedanken, indem es dein Angstzentrum aktiviert.
Deine Angst sendet deinem Körper nun ein missverständliches Signal.
Wie dein Körper dir hilft
Das Programm, das dein Körper nun abspielt, ist sehr alt und stammt noch aus Zeiten, als die Bedrohungen unseres Alltags ganz andere waren.
Eine Zeit, in der wir noch fliehen mussten, wenn wilde Tiere uns auflauerten. Oder wir noch körperlich kämpfen mussten, wenn uns Feinde unsere Nahrung stehlen wollten oder unsere Familien bedrohten.
Dein Körper stellt dir also vorsorglich mal eine Extraportion Energie zur Verfügung, falls du jetzt schnell laufen oder hart kämpfen musst. Er kann nämlich auch nicht unterscheiden, ob du Angst hast, weil gerade ein Tiger um die Ecke spaziert ist oder weil du dich verzettelt hast.
Er lässt deinen Kreislauf auf Hochdruck arbeiten, damit du diese Energie auch blitzschnell abrufen kannst. Und er tut noch eine ganze Menge mehr.
Er stellt deine Blutgefäße eng, um den Druck zu erhöhen. Er dämpft deine Verdauung. Er schüttet einen Entzündungshemmer aus, falls du bei deinem vermeintlichen Kampf oder auf der Flucht verletzt wirst.
Und darüber hinaus engt er deine Aufmerksamkeit stark ein, so dass du noch stärker den Überblick über all deine Aufgaben verlierst.
Erschöpft? Einmal ausruhen, bitte!
Du kannst dir also sicher vorstellen, dass ständige Angst, deine Zeit würde nicht reichen, dich ziemlich unter Strom setzt.
Und auf Dauer kann das ganz schön anstrengend für dich werden.
Nach der Hochphase kommt nämlich auch das Tief. So viel Aktivität kostet dich reichlich Energie und du müsstest dich davon zwischendurch mal richtig erholen.
Das spürst du normalerweise auch deutlich daran, dass deine Couch nach anstrengenden Tagen, wo du viel Zeitdruck erlebt hast, besonders einladend wirkt.
Du verspürst dann das dringende Bedürfnis, dich einfach hinzulegen und auszuruhen. Und wenn du das auch tust, ist danach alles wieder in Ordnung.
Aber auch hier ist die Frage wieder: Kannst du dir die Zeit dafür nehmen? Oder steht vielleicht bereits die nächste Aufgabe auf deinem Plan?
Und wie kommst du nun aus diesem Dilemma heraus?
Kann man Zeit managen?
Meistens wird einem in Fällen von häufigem Zeitdruck dazu geraten, seine Zeit besser zu „managen“.
Das klingt jetzt erst einmal etwas absurd.
Zeit als solche kann natürlich nicht geplant und gesteuert werden. Das ist es aber, was Management eigentlich bedeutet. Der Begriff ist also etwas unglücklich gewählt.
Dahinter verbergen sich allerdings ein paar durchaus lohnenswerte Denkansätze für unser Thema.
Zeitfenster cleverer planen
Was wir durchaus tun können, ist, unseren Tagesablauf besser zu planen Damit können wir zumindest die ein oder andere Stolperfalle durch Einplanen von mehr Stunden oder auch Puffern zwischen Terminen umgehen.
Es ist einfach unwahrscheinlicher, dass du in Zeitnot kommst, wenn du für deinen an sich 30 Minuten dauernden Fahrtweg einfach einmal 10-15 Minuten mehr einplanst.
Genauso verhält es sich mit Gesprächsterminen. In Wahrheit weiß man doch nie im Voraus, wie lange die wirklich dauern.
Um also auf Eventualitäten wie unvorhersehbaren Klärungsbedarf des Gegenübers – oder sein verspätetes Erscheinen – vorbereitet zu sein, kannst du auch hier etwas mehr Zeit einplanen.
Was aber noch sehr viel erfolgreicher für einen guten Umgang mit deinem 24 Stunden-Tag ist, stellt wohl gleichzeitig die größere Herausforderung für eine gute Zeitplanung dar.
Ich spreche vom Prioritäten setzen.
Prioritäten bestimmen
Du hast nur 24 Stunden pro Tag. Es werden einfach nicht mehr.
Die kannst du noch so bis zum Auseinanderbrechen mit Aufgaben voll quetschen, da ist kein Spielraum drin.
Ich sage das so deutlich, weil ich immer wieder diesen einen Satz höre: „Mein Tag hat einfach nicht genug Stunden für alle meine Aufgaben.“
Auch wenn das natürlich scherzhaft gemeint ist, es zeigt trotzdem einen Denkfehler beim Sprecher auf. Das ist ein wenig wie das Pferd von hinten aufzäumen.
Nicht die Stunden sind nicht genug, denn die sind immer gleich viele.
Aber die Aufgaben sind eindeutig zu viele!
Wenn es dir auch so geht, muss dein Ziel ganz klar die Reduzierung deiner täglichen Aufgaben sein, wenn du etwas zum Positiven für dich verändern willst.
Ich bin jetzt mal etwas hart zu dir, damit du verstehst, worum es mir dabei geht:
Wenn du eine eigene Familie hast, wirst du sicher mit mir übereinstimmen, dass das die wichtigsten Menschen in deinem Leben sind, oder?
Und wie viele Stunden deines Tages verbringst du mit ihnen? Genug?
Zeit für dich selbst nehmen
Soweit zum Prinzip. Kommen wir nun zum allerwichtigsten Menschen in deinem Leben.
Das bist nämlich – Überraschung! – du selbst. Ohne dich läuft in deinem Leben im wahrsten Sinne… nichts.
Wenn du nicht mitspielst, gibt es kein Familienleben, keine Freundschaften und auch keine Arbeit. Dann hat niemand etwas davon, dass du auf der Welt bist – du am allerwenigsten.
Und wie viele Stunden deines Tages verbringst du nun mit dir selbst?
Wie viele Stunden an deinem 24 Stunden-Tag tust du Dinge, die dir gut tun und bei denen du nicht schläfst? Genug?
Du selbst und deine wichtigsten sozialen Kontakte sind nämlich deine größten Schutzfaktoren vor allen Belastungen, die das Leben so mit sich bringen kann.
Sie solltest du auf keinen Fall vernachlässigen.
Ich kann dir nur empfehlen, diesen beiden Säulen deines Lebens wirklich auch die Zeit in deinem Tagesablauf zu geben, die sie verdienen.
Deinen Tag aufräumen
Damit dir das gut gelingt, wirst du vermutlich nicht um das Ausmisten deines bisherigen Tagesplanes herum kommen.
Dabei hilft mir immer die Frage: Ist das wirklich wichtig?
Und um das heraus zu filtern, führe ich mir gleichzeitig vor Augen, dass der berühmte Spruch „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nie auf morgen“ aus einer Zeit stammt, als die Menschen noch ganz andere Mengen an Aufgaben zu bewältigen hatten.
Den können wir langsam aber sicher zur Ruhe betten. Wirklich.
„Ist das wirklich wichtig?“ beinhaltet bei mir also folgende Fragen:
1) Spielt es eine wichtige Rolle, dass ich das genau an diesem Tag erledige?
Wenn die Antwort „Nein“ lautet, kann ich das getrost auch auf einen anderen Tag mit weniger Aufgaben legen.
2) Spielt es überhaupt eine wichtige Rolle, ob ich selbst das erledige?
Sind wir mal ehrlich: Es gibt Aufgaben, für die ist man selbst eigentlich nicht die beste Wahl. In diesem Fall ist es sowieso sinnvoller, man regt an, dass eine geeignetere Person diese übernimmt, oder?
Dasselbe gilt auch, wenn der eigene Zeitplan die termingerechte Erledigung dieser Aufgabe absehbar schwierig macht. Da ist es sogar noch sehr verantwortungsbewusst, wenn man diese Aufgabe von vorn herein ablehnt.
3) Spielt es überhaupt eine Rolle, ob diese Aufgabe/Tätigkeit erledigt wird?
Nun kommt der größte Knackpunkt, wo es richtig ans Eingemachte geht. Bisher ging es ja nur um Verschieben und Delegieren.
Nun aber kommt das tatsächliche Abwählen von Aufgaben, Tätigkeiten und manchmal auch Personen aus dem eigenen Leben.
Dafür solltest du dir etwas Zeit nehmen und wirklich ehrlich mit dir selbst sein.
Dieses Hobby machst du zwar schon seit Jahren – aber bringt es dir tatsächlich mehr, als du an (Zeit-) Aufwand rein steckst? Zeit, sich nach etwas anderem umzusehen?
Du möchtest dir zwar Zeit für dich selbst oder deine Liebsten nehmen, der Fernseher, das Internet oder dein Smartphone bestimmen aber deine Freizeit maßgeblich? Zeit, mal den Ausschalter zu suchen?
Diese Freundschaft hat sich eigentlich überlebt und du erhältst sie nur noch um der „alten Zeiten“ Willen aufrecht? Zeit, um Lebewohl zu sagen?
Diese Aufgabe auf deiner Arbeit fandest du schon immer sinnlos und hast sie nur pro forma ausgeführt? Zeit, sie zur Diskussion zu stellen?
Zeit für eine Denkwende!
Eine Sache fällt mir wirklich auf in den letzten Jahren, wenn es um das Thema Zeitdruck geht:
Wie leicht geben die Menschen hierzulande ihre Zeiteinteilung an andere ab!
Selbst in unseren Redewendungen zeigt sich, wie wir die Verantwortung für unsere Misere auf die äußeren Umstände schieben: „Ich fühle mich gehetzt“ und nicht „Ich hetze mich selbst“.
Und wie schnell sind wir dann unglücklich darüber, wie achtlos andere mit dieser unserer wertvollen Zeit umgehen und sie für sich verplanen!
Wenn du also nicht gut auf deine 24 Stunden aufpasst, sind sie ganz schnell weg. Wenn du nicht klar und deutlich „Nein“ sagst, werden sie einfach so von Hinz und Kunz eingenommen.
Und dann kommen ganz schnell die wichtigsten Personen und Aufgaben deines Lebens zu kurz!
„Nein“ sagen kann man lernen
Nein-Sagen fällt vielen Menschen nicht leicht. Aber man kann es gut lernen mit ein wenig Übung.
Am besten fängst du damit in einer Situation an, in der es um nichts Wesentliches geht.
Versuche es einmal mit: „Nein, das übernehme ich so nicht, aber ich kann das zu einem anderen späteren Termin erledigen.“
Oder „Nein, das übernehme ich nicht, weil ich da schon einen wichtigen Termin (mit mir selbst – das sagst du aber natürlich nicht) habe.“
Überlege dir also ein anderes Angebot oder begründe deine Entscheidung für dein Gegenüber nachvollziehbar.
Spüre dabei genau in dich hinein, wie es dir damit geht und beobachte die Reaktion deines Gegenübers.
Ist es erstaunt, weil es dieses Wort „Nein“ von dir noch gar nicht kennt?
Versucht es, dich zu überreden oder akzeptiert es deine Entscheidung gleich (was häufiger der Fall sein wird, da es ja um nichts Wichtiges geht)?
Was kannst du daraus für wichtigere Situationen lernen?
Mit der Zeit wird es dir so immer leichter fallen, für dich und deine 24 Stunden einzustehen.
Erinnere dich einfach immer wieder selbst daran:
Du bist die einzige Person, die über deine Zeit bestimmt!
Deine